Balzhofen und die Mittelbadische Eisenbahn (MEG)

Die Oberrheinische Tiefebene war schon immer eine der fruchtbarsten Gegenden im ehemaligen Land Baden. Landwirtschaft und Viehzucht prägten daher diese Gegend. Für die Dörfer entlang des Rheines war es jedoch sehr schwierig die Produkte überregional zu vermarkten und so blieb diese Region Ende des 19. Jahrhunderts in der Entwicklung zurück. Es fehlte an der Anbindung an die Absatzmärkte. Die Rheintalbahn existierte bereits, dort sah die Situation ganz anders aus. Industrie und verarbeitendes Gewerbe siedelten sich an, die Städte und Gemeinden entlang der Rheintalbahn entwickelten sich prächtig. Dies erkannte auch der Gr0ßherzog und es war dringend notwendig hier Abhilfe zu schaffen. Der Plan dazu war der Bau einer Lokalbahn und am 6. Januar 1888 wurde der Gesetzentwurf zum Bau einer Lokalbahn zwischen Kehl und Lichtenau bis nach Bühl zur Beratung und Zustimmung vorgelegt. Die Konzession zum Betrieb erhielt am 30. April 1890 die Straßburger Straßenbahn.

Bahnhof Balzhofen mit dem Stationsvorsteher und Ehefrau 1968
Gleisplan Bahnhof Balzhofen

Nach der Konzessionsvergabe erfolgten zahlreiche Verhandlungen. Am 27. September 1890 wurde vom Großherzog die Streckenführung endgültig festgelegt. Mit den Bauarbeiten wurde am 01. April 1891 begonnen. Es ist dokumentiert dass in Balzhofen Gelände für den Bahnbau in den Gewannen Ortsetter, Bühlfeld und Ehretmatten abgegeben wurde. Der Bahnhof Balzhofen wurde mit einem Güterschuppen errichtet und war mit einem Stationsvorsteher besetzt. Zu erwähnen ist auch, dass der Bahnhof Oberbruch auf Balzhofener Gemarkung stand. Balzhofen hatte quasi zwei Bahnhöfe. Die Bauarbeiten gingen zügig voran und die Strecke wurde am 11. Januar 1892 eröffnet. Der Großherzog Friedrich persönlich nahm an der Eröffnung teil und die Bevölkerung entlang der neuen Bahntrasse jubelte ihm zu.

Blick auf den Bahnhof Balzhofen
MEG Triebwagen mit Güterwaggon. "Bildveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Modellclubs 1:87 Lichtenau e.V. "

Am 30. Juni 1923 wurde die Mittelbadische Eisenbahn AG (MEG) mit Sitz in Lahr gegründet. Die bisher von der Straßburger Straßenbahn betriebene Strecke wurde Ende 1923 an die MEG übergeben. Somit besaß die MEG das größte Schmalspurnetz in Deutschland. Dieses reichte von Rastatt über Kehl bis nach Seelbach mit Anbindungen an Bühl und Offenburg. Der Bahnhof Balzhofen lag bei Kilometer 34,90, hatte ein massives Bahnhofsgebäude mit Güterschuppen, Laderampe und ein Ausweichgleis. Der ehemalige Meterspurstrecke verlief anders wie heute links entlang der Kreisstraße nach Vimbuch und überquerte diese am Ortseingang in die heutige Bahnhofstraße. Dort stand auch der ehemalige Bahnhof Vimbuch. Überliefert ist, dass der Inhaber der Posthilfsstelle Balzhofen bis 1933 die Post über die Bahn zugestellt bekam. Ab 1933 wurde diese dann motorisiert geliefert und abgeholt. In den Kriegs- und Nachkriegsjahren 1943 bis 1949 musste die MEG dann wieder einspringen. Mir selbst ist noch in vager Erinnerung dass wir beim Bahnhof Balzhofen in der Endzeit der Schmalspurbahn Briketts, Kohle und Kunstdünger abgeholt haben. Es stand dazu ein Güterwagen der Deutschen Bahn beim Balzhofner Bahnhof auf dem Ausweichgleis. Die Güterwaggons der DB waren auf Rollschemelwaggons aufgestellt damit diese auf der Meterspur transportiert werden konnten.

Abbau der MEG-Trasse
Topografische Karte von 1954 mit dem ursprünglichen Streckenverlauf Richtung Vimbuch.

Die zunehmende Motorisierung und der politische Fokus auf den Individualverkehr, bei dem gewachsene Strukturen radikal und oft auch ohne Weitsicht zu Gunsten des Straßenverkehrs unwiderruflich verändert wurden, führten dazu, dass der Öffentliche Personennahverkehr und der Güterverkehr keine Chancen mehr hatten. Der Investitionsstau bei der MEG trug ein übriges dazu bei. 1970 wurde die erste Bushaltestelle in Balzhofen bei der Kirche eingerichtet. Der Linienverkehr mit Omnibussen wurde im gleichen Jahr aufgenommen und am 27. September 1970 wurde mit der letzten Personenzugfahrt folglich der Personenverkehr zwischen Freistett und Bühl eingestellt. Damit war der im Volksmund liebevoll genannte „Entenköpfer“ Geschichte.

Eine Zeitzeugin berichtete mir zur Abschiedsfahrt folgendes: „Am Tag der letzten Fahrt des Entenköpfers ging ich mit meiner Schwester und den Kindern zum Bahnhof Balzhofen. Dort waren zahlreiche Balzhöfner anwesend. Als der Zug dann kam waren alle sehr begeistert und jubelten den Zuggästen zu. Im Zug selbst standen alle und jubelten zurück. Danach sind wir zum Bahnhof Oberbruch gelaufen und warteten bis der Zug dann wieder zurückfuhr. Dort wiederholte sich dann das Gleiche Spektakel nochmal.“

Fahrplan der MEG aus dem Kursbuch 1944/1945, Kursbuch 305k

Der Güterverkehr wurde mit Rollschemlwaggons noch bis zum August 1971 aufrecht erhalten. Im Jahr 1971 wurde die Südwestdeutsche Eisenbahn AG (SWEG) gegründet in der die MEG aufging. Da der NATO-Flugplatz in Söllingen strategisch von Bedeutung war wurde die Reststrecke zwischen Bühl und Söllingen auf Normalspur umgebaut damit der Flugplatz sowie auch andere Firmen weiterhin bedient werden konnten. Die Strecke zwischen Balzhofen und Vimbuch wurde dabei auf die heutige Trasse verlegt. Im Archiv der Gemeinde Balzhofen ist auch zu finden dass Balzhofen im Zuge der Umspurung vom Stückgutbahnhof zum Stückgutort umgewandelt wurde und damit auch die Abfertigungsbefugnis für Expressgut entfiel. Leider wurde im Rahmen der Umspurung dem damaligen Zeitgeist entsprechend auch der Bahnhof Balzhofen abgerissen.  Schade eigentlich, denn die Bauweise der MEG-Gebäude war einzigartig.

Letzte Fahrt über die Sulzbachbrücke bei Balzhofen.

Nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 zogen sich die Kanadischen Streitkräfte nach und nach aus Deutschland zurück. Folglich wurde der NATO-Flugplatz Söllingen zum Jahresende 1993 geschlossen. Die SWEG hatte im Rahmen der Aufgabe dieses Flugplatzes zahlreiche Militärtransporte zu bewältigen. Danach wurde es um die Teilstrecke Stollhofen-Söllingen recht still und für die SWEG bedeutete dies eine weitere Reduzierung des Frachtaufkommens. Die zivile Nutzung des Flugplatzes brachte für die verbliebene Stammstrecke der SWEG leider keinen zusätzlichen Nutzen.
Aktuell betreibt die SWEG neben einigen anderen Eisenbahnstrecken weiterhin die Güterverkehrsstrecke zwischen Bühl und Greffern. Beliefert wird hauptsächlich ein Chemieunternehmen. Die wichtige Bedeutung dieser Reststrecke wurde durch die komplette Modernisierung im Jahr 2009 untermauert.

Das folgende Video zeigt einen Güterzug, aufgenommen am 30. Mai 2023, gegenüber dem ehemaligen MEG-Bahnhof Balzhofen.

 

 

Impressionen von der Mittelbadischen Eisenbahn bei Balzhofen
Blick auf den MEG-Bahnhof Balzhofen im Jahr 1961.
MEG-Zug mit Dieseltriebwagen von Vimbuch kommend kurz vor der Sulzbachbrücke. Die Straße machte damals noch eine Kurve in westlicher Richtung.
Dampfzugsonderfahrt auf der umgespurten Neubaustrecke kurz vor der Autobahnunterführung Balzhofen-Oberbruch. Vermutlich handelt es sich um die Eröffnungsfahrt anlässlich der Eröffnung der Regelspurstrecke.
MEG-Zug Richtung Bühl am Ortsausgang von Balzhofen Richtung Vimbuch bei der Sulzbachbrücke. Der damalige Streckenverlauf folgte vor der Umspurung noch westlich der Straße in Richtung Vimbuch.
MEG-Zug von Vimbuch kommend kurz vor Balzhofen. Vermutlich handelt es sich um die Abschiedsfahrt.
Blick auf den ehemaligen Bahnhof Balzhofen.

Wer einen Zeitzeugenbericht zum Thema Balzhofen und die Mittelbadische Eisenbahn zum Veröffentlichen auf der Homepage Verfügung stellen möchte ist gerne eingeladen dies zu tun.  Zudem wäre es sehr nett wenn weitere Bilder zu dem Thema Balzhofen und die MEG zur Verfügung gestellt werden könnten. Schreiben Sie einfach eine Email an die Dorfgemeinschaft Balzhofen. e.V. Wir freuen uns über weitere Beiträge zu diesem Thema.

 

Zusammengestellt und bearbeitet von Thomas Haunß.

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